Ernst Thälmann

Aus der Rede über den Bericht der deutschen Kommission

15. März 1926

Genossen! Die gestrige Debatte über den Bericht der deutschen Kommission zeigte, welch ernste Bedeutung die deutsche Frage auch im internationalen Maßstab hat. Die Stellung der deutschen Partei in der jüngsten Vergangenheit, die Entscheidungen, die in den letzten Monaten und Wochen gefällt worden sind, der Beschluß der deutschen Kommission sowie die Erörterung auf diesem Plenum der erweiterten Exekutive werden sich auf die Entwicklung der ganzen Internationale auswirken. Wir sahen in der gestrigen und heutigen Debatte, daß alle Vertreter der wichtigsten Delegationen sich für die Entscheidung der deutschen Kommission aussprachen. Auf der anderen Seite zeigte sich der Vorstoß der ultralinken " Fraktion, die die Differenzen in der deutschen Partei zu ihren internationalen Fraktionszwecken ausnützen will.

Ich erinnere an die Erörterungen auf dem III. Weltkongreß, auf dem Genosse Lenin jenen revolutionären und ungeduldigen Elementen entgegentrat, die aus dem Feuer des Kampfes herauskamen, wie damals in Deutschland nach der Märzaktion, in der Tschechoslowakei nach den großen Kämpfen, in Italien nach dem Kampf gegen die Betriebsstillegungen. Genosse Lenin begann bereits damals schon die relative Stabilisierung zu signalisieren. Jene Opposition hatte eine gewisse Berechtigung, sie kam aus dem Feuer des Kampfes, sie verstand die damalige Situation noch nicht.

Die heutige „linke" Opposition ist dagegen eine Opposition, die der bürgerlichen Ideologie und dem Spießbürgertum entspringt.

Der organisierte Fraktionsvorstoß, der gestern von den Ultralinken" unternommen wurde, die Art ihrer Methoden, kennzeichnen die Charakterlosigkeit und Hilflosigkeit dieser Gruppe.

Einige „ultralinke" Genossen gingen sogar dazu über, die Gegensätze auf dem XIV. Parteitag der KPdSU(B) zu benutzen, um sie in die Internationale zu übertragen. Genosse Urbahns besaß sogar die Kühnheit, einen Vorstoß gegen Genossen Stalin zu unternehmen. Im Namen der deutschen Delegation und der gesamten deutschen Mitgliedschaft muß ich hier erklären, daß wir uns mit der Stellungnahme des Generalsekretärs der KPdSU(B), des Genossen Stalin, vollständig solidarisieren.

Wir erklären: Der Vorstoß, der sich gegen die KPdSU(B) richtet, ist nicht nur ein Vorstoß gegen die KPdSU(B), sondern auch ein Vorstoß gegen die KI und in diesem Zusammenhang auch ein Vorstoß gegen die westeuropäische Revolution.

Ferner erkläre ich, daß trotz der Vorstöße der Ultralinken" die Solidarität der deutschen Partei und der anderen Sektionen mit der KPdSU(B) nicht erschüttert und daß jeder Versuch in dieser Richtung fehlschlagen wird. Die Personen, die die Versuche unternehmen, werden dabei untergehen.

Ich möchte jetzt dazu übergehen, ein paar kurze Bemerkungen über die Redner zu machen, die von der deutschen Partei hier aufgetreten sind. Über die Person der Genossin Ruth Fischer noch irgendwelche Worte mehr zu verlieren, würde ihrer Bedeutung nicht entsprechen. Die gesamte erweiterte Exekutive hat mit aller Schärfe die politische Stellungnahme und das Verhalten der Genossin Ruth Fischer mißbilligt und verurteilt. Wir haben gesehen, daß ihre doppelte Buchführung, ihre Charakterlosigkeit, ihre Fraktionsmethoden, die nur ihr politisch niedriges Niveau zeigen, nicht nur ihren Zusammenbrach bedeuten, sondern auch den Zusammenbruch der gesamten Gruppe.

Genosse Urbahns erklärt, daß er mit .dem politischen Kurs der Partei im allgemeinen einverstanden ist, aber nicht mit dem innerparteilichen Kurs.

Genossen! Kann man diese beiden Dinge trennen? Steht der innerparteiliche Kurs nicht in engem Zusammenhang mit dem politischen Kurs? Die innerparteilichen Maßnahmen sind ausschlaggebend für die Entwicklung der Partei.

Genosse Scholem erklärte, daß die Resolution, die heute zur Entscheidung steht, die Fortsetzung des Offenen Briefes" bedeutet. Natürlich ist sie die Fortsetzung des „Offenen Briefes", die Anwendung der richtigen Methoden und einer richtigen Linie entsprechend der gegebenen Situation. Sie ist eine Vervollkommnung des „Offenen Briefes", weil wir einen Schritt, eine Etappe weiter sind. Wir befinden uns bereits in der zweiten Etappe, in der wir den Konsolidierungsprozeß in der Partei zu verstärken und die Aufgaben kräftiger in Angriff zu nehmen haben.

Wir werden auf Grund der politischen Plattform einen harten ideologischen Kampf führen; wir werden alle diese Giftstoffe, die in der deutschen Partei vorhanden sind, auszurotten versuchen. Wir werden dabei um jedes einzelne Mitglied der Partei ringen, wir werden kein einziges Parteimitglied aus der Partei werfen, wir werden einen harten ideologischen Kampf führen, um die Partei zusammenzureißen und zu einem Stück zusammenzuschweißen. Wir haben gestern gesehen, daß Meinungsverschiedenheiten darüber bestanden, daß besonders auch in der Periode der relativen Stabilisierung rechte Gefahren kommen werden. Das ZK wird diesem Kampf gegen rechts und ultralinks" gewachsen sein; wir fühlen uns stark genug, auch in der jetzigen Periode die rechten Gefahren nicht nur zu bekämpfen, sondern sie auch zu korrigieren und zu beseitigen.

Was die „ultralinke" Gruppierung anbetrifft, so glaube ich, daß sie nur im ernsten, harten Kampf innerhalb der Partei zu überwinden ist. Wir haben bereits in der deutschen Kommission erklärt, daß wir die Normalisierung wollen, daß wir alle Arbeiterelemente zur ernsten aktiven Mitarbeit heranziehen werden, daß wir dazu übergehen werden, mit den „ultralinken" Arbeitern kameradschaftlich zu diskutieren. Aber nicht mehr diskutieren werden wir mit Genossin Ruth Fischer, weil sie gezeigt hat, daß sie es wirklich nicht mehr wert ist. Außerdem werden wir in Deutschland gegen Genossin Ruth Fischer kämpfen müssen, weil hier klar zutage getreten ist, daß sie nicht nur eine Feindin des Zentralkomitees, sondern auch eine Feindin der deutschen Partei ist. Wir sind gezwungen, diesen ernsten ideologischen Kampf bis zur endgültigen politischen Vernichtung der Genossin Ruth Fischer zu führen, wenn wir eine starke kommunistische Massenbewegung und eine starke kommunistische Partei bekommen wollen. Darum sind wir mit den Ausführungen des Genossen Kuusinen einverstanden, der hier deutlich zum Ausdruck brachte, daß, wenn Ruth Fischer ihre Methoden fortsetzt, sie aus der Kommunistischen Internationale hinausfliegen wird. Unser Standpunkt ist der: Für Agenten der Bourgeoisie gibt es in der Kommunistischen Internationale keinen Platz, und wir erklären nicht nur hier vor dem Plenum der erweiterten Exekutive, sondern wir signalisieren bereits für die zukünftige Arbeit, daß wir dazu übergehen werden, Schluß zu machen mit den Fraktionen der verschiedenen Ruth Fischer, um vorwärtszugehen in der Entwicklung der Partei und um zu gleicher Zeit vorwärtszumarschieren auf dem Wege zur wirklichen Einheit der Kommunistischen Partei Deutschlands.



Es lebe die einheitliche Kommunistische Partei!

Es lebe die einheitliche Kommunistische Internationale!



Protokoll der erweiterten Exekutive der Kommunistischen Internationale,

Moskau, 17. Februar bis 15. März 1926,

S. 193-210, 632-637.

Thälmann, Ernst: Reden und Aufsätze zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 1, Berlin 1956, S. 344 - 347