Hinein in die RGO!
Nur unter den Fahnen der RGO wird die Gewerkschaftseinheit der deutschen Arbeiter wiederhergestellt - Nur die RGO kann und wird wirkliche freie Gewerkschaften schaffen
Wir veröffentlichen nachstehend das Schreiben des Genossen Thälmann an die Verwaltungsstelle des Gesamtverbandes Hamburg. Das Schreiben ist eine Antwort des Genossen Thälmann auf die Ankündigung seines bevorstehenden Ausschlusses aus dem Verband. Der Genosse Thälmann ist 27 Jahre Mitglied der freien Gewerkschaft der Transportarbeiter.
An die Hamburger Bezirksverwaltung des Gesamtverbandes, Hamburg.
In Eurem Schreiben vom 18. März 1931 berichtet Ihr über einen Beschluß der Vertreterversammmng der Hamburger Bezirksverwaltung, bei dem Verbandsvorstand einen Ausschlußantrag gegen mich zu stellen. Als Grunde für diesen Ausschlußantrag werden in dem Schreiben angegeben:
"1. Du bist uns als Leiter und Vorsitzender der Kommunistischen Partei bekannt.
2. Diese Kommunistische Partei hat in einer Veranstaltung im Januar 1931 ihre erste Reichskonferenz der RGO (lies: Rote Gewerkschaftsopposition) für Hafen- und Wassertransportarbeiter gegründet zu dem ausgesprochenen Zweck, die Einheit und Geschlossenheit der freien Gewerkschaften, insbesondere die des Gesamtverbandes, wo auch Du Mitglied bist, zu stören."
Ihr fordert mich auf, zu diesem Schreiben meine Entgegnung schriftlich mitzuteilen. Ich komme dieser Aufforderung nach, um meine Gründe, die die Gründe der revolutionären Arbeiterschaft sind, darzulegen:
Es ist wahr, daß ich Jahrzehnte der freien Gewerkschaft der Transportarbeiter angehöre.
Genauso wie Tausende, meiner Kollegen in diesem Verband und Zehntausende in anderen Verbänden, habe ich als Funktionär im Laufe von vielen Jahren für die freien Gewerkschaften gewirkt, die durch mühselige Arbeit und Opfer von Millionen deutscher Arbeiter groß und stark wurden.
Die deutsche Arbeiterklasse wollte sich in den freien Gewerkschaften einen Schutzwall gegen die Unternehmer, eine Kampforganisation zur Verteidigung ihrer Lebensinteressen schaffen. Sie wollte darüber hinaus, getreu den Lehren von Marx, einen mächtigen Sturmblock zur Zerschmetterung des gesamten Systems der Lohnsklaverei bauen.
Mehr als 60 Jahre deutscher Gewerkschaften und was nun? Diese Frage hämmert schon seit langem in den Köpfen der klassenbewußten Mitglieder der freien Gewerkschaften.
Die Geschichte weiß viele Beispiele, wie fortschrittliche und revolutionäre Organisationen und Einrichtungen in das Gegenteil verwandelt wurden. Das trifft auch auf die freien Gewerkschaften in Deutschland zu. Die Gewerkschaften sind aus Organisationen des Klassenkampfes zu Organisationen der Unterstützung der kapitalistischen Wirtschaft und der kapitalistischen Staatsmacht geworden. Das beweist nicht nur die tägliche Praxis der Gewerkschaftsbürokratie, sondern die program mal i sehe n Beschlüsse des Hamburger Gewerkschaftskongresses über die Wirtschaftsdemokratie und des Stockholmer Kongresses der Amsterdamer Internationale über die Notwendigkeit der Unterordnung der Arbeiterinteressen unter die Interessen der kapitalistischen Wirtschaft.
Im Laufe von Jahrzehnten hat sich eine Bürokratie in den Gewerkschaften entwickelt, die die Riesenorganisationen des deutschen Proletariats beherrscht und vergewaltigt. Eine Bürokratie, die sich unabhängig von dem Willen der breiten Mitgliedschaft fühlt, die ihre gutbezahlten Funktionen für sich lebenslänglich gesichert hat, die mit dem Kapitalismus, mit dem kapitalistischen Staat auf Gedeih und Verderb verbunden ist.
Der deutsche Kapitalismus selbst befindet sich heute im Prozeß seiner Verfaulung und Entartung. Das Wort des "Kommunistischen Manifestes" , daß die Sklavenhalter nicht imstande sind, ihre Sklaven auch nur notdürftig zu ernähren, ist nun Tatsache geworden. Nicht nur die über fünf Millionen Erwerbslosen, auch die "Glücklichen", die noch in den Betrieben stehen, überzeugen sich jeden Tag und jede Stunde vom Bankrott des kapitalistischen Systems. Löhne, die unter den Wiederherstellungskosten der Arbeiterschaft liegen, sind zur Dauererscheinung geworden. Der Arbeiter bekommt einen Lohn, der nicht einmal für das Lebensnotwendigste ausreicht. Die ureigenste und elementarste Aufgabe der Gewerkschaften -Kampf für höheren Lohn und bessere Arbeitsbedingungen, der Kampf selbst um die Verteidigung der bestehenden miserablen Arbeitsbedingungen - rüttelt an den Grundfesten des morschen und verfaulenden Kapitalismus.
Der Streikkampf wird deshalb in der Periode der allgemeinen Krise des Kapitalismus zur Kampfhandlung gegen das gesamte kapitalistische System. Wer aber gegen das System nicht kämpfen will, der muß auch gegen den wirtschaftlichen Streik sein, der muß zum auch gegen den wirtschaftlichen Streik sein, der muß zum Streikbrecher aus Prinzip werden, das ist die eiserne Logik der kapitalistischen Entwicklung. Das ist der Weg des deutschen Reformismus.
Es ist überflüssig, hier die streikbrecherische Politik des reformistischen Gewerkschaftsapparates zu schildern. Darüber berichten tagein, tagaus die Kollegen in den Betrieben, die Gewerkschaftsmitglieder in den Versammlungen.
Wir leben in einer Zeit, wo es keine Zwischenstellungen mehr gibt. Es gibt nur zwei Wege: den Weg des revolutionären Massenkampfes oder den Weg der Unterstützung des Kapitalismus durch Arbeiterverrat und Streikbruch.
Es gibt nur zwei Auswege: den Ausweg für die hungernden und darbenden Millionen Arbeiter zum Sozialismus im Kampfe für ein Sowjetdeutschland oder den "Ausweg" für die Ausbeuter und ihre Lakaien durch den Versuch der Rettung des deutschen Kapitalismus auf Kosten vermehrter Ausbeutung, vervielfachter Auspressung. Es gibt nur eine klare Entscheidung: Sturz oder Erhaltung des schändlichen Regimes der Ausbeutung eines Menschen durch den anderen. Jeder muß sich in unserer Zeit entscheiden: für die rote Front, oder für die Front der Ausbeuter.
Jetzt verfahrt Ihr nach der Methode: "Haltet den Dieb!", indem Ihr sagt, die revolutionäre Gewerkschaftsopposition zerstöre die "freien" Gewerkschaften. Wer hat die freien Gewerkschaften ihres Inhalts als Kampforganisation der Arbeiterklasse beraubt, sie ausgehöhlt und sie in Hilfsorgane der Unternehmerorganisationen verwandelt? Die reformistischen Gewerkschaftsführer, die Gewerkschaftsbürokratie, die SPD. Wer hat die Millionen deutscher Arbeiter in den Jahren des imperialistischen Krieges auf das "Schlachtfeld der Ehre" gejagt? Wer hat in den Jahren des Weltgemetzels den Burgfrieden mit der Bourgeoisie abgeschlossen, sich freiwillig des Streiks entsagt, um den ungeheuren Massenmord auf den Feldern von Frankreich und Rußland nicht zu stören? Das waren die deutschen Gewerkschaftsführer, die den Kapitalismus vor der proletarischen Revolution beim Novemberumsturz gerettet haben. Das waren die deutschen Gewerkschaftsführer, die in den nachfolgenden Jahren mit allen raffinierten Methoden des Volksbetruges die Arbeiterschaft zurückgehalten haben. Das waren die deutschen Gewerkschaftsführer, die in den letzten 5-6 Jahren die mörderische Nationalisierung, die Millionen deutsche Arbeiter brotlos gemacht hat, durchzuführen ermöglicht haben. Es sind die Gewerkschaftsführer, die jede Kampfäusserung des Proletariats, jeden Versuch der ausgebeuteten Massen, sich gegen ihre Unterdrücker zu erheben, jeden Streik mit aller Brutalität, mit aller Rücksichtslosigkeit bekämpfen.
Die Revolutionäre Gewerkschaftsopposition entsteht als eine Kraft, die den von der Gewerkschaftsbürokratie zerstörten Schutzwall gegen die Ausbeutung wiederherstellt. Aus den Betrieben, aus den Schächten, aus den Baustellen, aus den Gütern steigt eine neue Kraft empor, die sich die Aufgabe stellt, mächtige Organisationen gegen Unternehmertum und Faschismus zu schaffen. Die Revolutionäre Gewerkschaftsopposition stellt die besten Traditionen des mehr als 60jährigen gewerkschaftlichen Klassenkampfes in Deutschland wieder her, sie will und muß - das ist ihre Pflicht gegenüber der deutschen Arbeiterklasse - die von Euch zerstörte Klassenfront wieder aufbauen.
Die Konferenz der Hafen- und Seeleute in Hamburg hatte die Aufgabe, die Kampfeinheit der Arbeiter gegen das Reederkapital herzustellen, nachdem ihr durch organisierten Streikbruch und durch die Polizeibrutalität Eures Schönfelder die Arbeiterfront zerschlagen und dadurch erst den Lohnraub ermöglicht habt.
Darum war die Schaffung des Roten Hafenarbeiterverbandes eine Lebensnotwendigkeit für das kämpfende Hafenproletariat. Nur unter den Fahnen der RGO wird die Gewerkschaftseinheit der deutschen Arbeiter wieder hergestellt. Nur die RGO kann und wird wirklich freie Gewerkschaften schaffen.
Ich bekenne mich "schuldig", Vorsitzender der Kommunistischen Partei zu sein.
Das ist die Partei, die in der letzten Reichstagswahl weit über eine Million Arbeiterstimmen von der Partei des Arbeiterverrats, von der SPD gewonnen hat. Daß unter diesen Arbeitern nicht wenig freigewerkschaftliche Kollegen waren, darüber seid ihr Euch sicherlich im klaren.
Ich bekenne mich "schuldig", Vorsitzender der Kommunistischen Partei Deutschlands zu sein, der Partei Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts, der Partei der proletarischen Revolution.
Das ist die Partei, die ihre Pflicht gegenüber der Arbeiterklasse niemals für Ministersessel, für Pfründe im kapitalistischen Staat verkaufen wird. Das ist die Partei, die niemals für Groeners Panzerkreuzer, für Schiele und Treviranus, für Brüning und Stegerwald gestimmt hat.
Ich bekenne mich "schuldig", als Vorsitzender der Kommunistischen Partei die Revolutionäre Gewerkschaftsopposition mit allen Kräften unterstützt zu haben.
Ich teile diese "Schuld" zusammen mit den Hunderttausenden Mitgliedern der Revolutionären Gewerkschaftsopposition. Diese "Schuld" werden in kurzer Zeit schon Millionen teilen.
Ihr habt die Möglichkeit, mich, der ich Jahrzehnte für den Verband gewirkt habe, auszuschließen. Habt ihr doch schon Zehntausende klassenbewußte Arbeiter aus den freien Gewerkschaften hinausgeworfen. Jede Demokratie habt ihr mit Füßen getreten, nur noch mit Polizeimethoden könnt ihr Eure Herrschaft aufrechterhalten. Ihr seid aber nicht mehr imstande, den Drang der deutschen Arbeiterklasse zur Selbsterhaltung, das Streben von Millionen deutscher Arbeiter nach einem menschenwürdigen Leben, den Sturm der proletarischen Bataillone gegen das Regime der Ausbeutung zurückzuhalten. Am 14. September waren es weit über eine Million proletarischer SPD-Wähler, die für die Kommunistische Partei, die für die proletarische Revolution ihre Stimme abgaben. Heute sind es schon neue Millionen - ihr selbst zweifelt nicht mehr daran.
Zielbewußt geht die Kommunistische Partei, die Elite der deutschen Arbeiterklasse, der revolutionäre Sturmtrupp des werktätigen Deutschland den Weg der proletarischen Revolution. Neue Millionen scharen sich um die Sturmfahnen der Kommunistischen Partei. Mit papiernen Ausschlüssen kann man diesen Vormarsch nicht aufhalten. Man kann ihn auch nicht mit Gummiknüppeln sozialdemokratischer Polizei und mit Meuchelmorden der hitlerischen Schutzgarden des Kapitals verzögern.
Wir schreiten vorwärts! Ihr geht zurück! Wir sind die Armee des anbrechenden Morgens. Ihr seid die letzte niedergehende Schutztruppe des Kapitals. Die gewaltige Kraft von Millionen proletarischer Kämpfer wird zusammen mit den Ausbeutern auch Euch, ihre Lakaien, wegfegen.
Das ist es, was ich Euch auf Euer Schreiben vom 18. März 1931 zu "meiner Rechtfertigung" zu sagen habe.
Ernst Thälmann
Hamburg, den 23. März 1931
Antwortet auf den Ausschluß
des Gen. Thälmann aus dem Gesamtverband mit dem kollektiven
Eintritt in die RGO!
Die Rote Fahne, 05. 04.
1931
Thälmann, Ernst: Reden und
Aufsätze, Bd. 1, Köln 1975, S. 144 - 148